sunnyboy

Alles stehen lassen und davonlaufen, ohne Adieu, aufgehalten werden verhindern. Der Dinge entledigen, der Welt.
Wohin? Irgendwohin. Wohinwohin.
Die Wände kommen näher als die Menschen es sind, Luft fehlt in den Lungen in den Kleidern, im Haar. Alles ist spröde.

Was mag er gedacht haben?
Sie sitzen jetzt da oder laufen umher, einzig das Warum ist geblieben.
Alles andere fort. Er hat gewartet, bis niemand mehr da war, alle im Wochenende, zu Hause bei den Eltern. Nichts hat er gesagt, nichts.

Wir waren nie befreundet, haben ein Leben lang umeinander wissend, sich nicht wirklich kennend nebeneinander existiert, als Kinder hin und wieder im Zwang belangloses gespielt. Bei jeder Aufzählung von Menschen aus meiner Kindheit hätte ich ihn vergessen.

Es ist lächerlich, wie sehr mich sein Suizid trifft.
Samuel B. - 14. Feb, 21:22

da steht man dann da. ist mehr als nur 'vor-den-kopf-geschlagen'. ist bestürzt, erschreckt - und sauer.
und erschrocken über die zielstrebigkeit, die planung, das 'schauspiel' der letzten tage.
hätte man nicht ... ?
nein, man hätte nicht!

was trifft - so denke ich - ist nicht mal so sehr der suizid an sich, viel mehr die gedanken, was einen menschen dazu bringt, wie einsam er irgendwann gewesen sein muss und die angst, dass es vielleicht einem selber mal so geht.

weder an einem suizid noch an der eigenen reaktion darauf ist etwas lächerlich.

falls es dir hilft, in den arm genommen zu werden, dann hiermit ne umarmung auf abruf.

Anna Licht - 15. Feb, 00:07

Ich danke Dir

für die Umarmung. Ich weiß noch immer nicht warum, weil ich persönlich eigentlich gar nicht betroffen bin, aber: ja, ich brauchte eine.

Wir waren gleich alt, haben uns seit unserer Kindheit gekannt, wenn auch, wie gesagt, nicht gut; wir waren uns nie nahe oder so. Seine Familie kenne ich, vor allem seinen Stiefvater. Und seine Mitbewohnerin, die ahnungslos ins besagte Wochenende fuhr, ist die Patentochter meiner Mutter.

Man hat ihm wohl nichts angemerkt, er war ganz normal - nett, hilfsbereit, lustig. Es gibt keinen Abschiedsbrief, keine Antworten. Ein absolut zielstrebiger Typ, erfolgreich. Scheinbar. Sein Stiefvater verarbeitet das Ganze wohl durch intensive Recherche - er hat wohl über Jahre hinweg einiges verheimlicht. Was genau weiß ich nicht und werde ich wohl auch nie erfahren.
Muss ich auch nicht.

Es tut mir nur so wahnsinnig leid, dass er sich selbst diese Einsamkeit aufgezwungen hat.
Samuel B. - 15. Feb, 18:16

hab gestern nochmal nachgedacht.
ist schwierig zu erklären. bei einem autounfall oder einer krankheit, da kann man immer noch einer höheren macht oder dem unfallgegner die 'schuld' geben. und wenn jemand mit 93 stribt, dann ist eben das alter 'schuld'. damit kann man irgendwie besser leben.
aber wenn sich jemand selbst das lebe nimmt - dann funktioniert die schuldzuweisung nicht mehr. der selbstmörder kann ja schlecht schuld sein, er wollte es ja so.
ich glaube, man sieht sich da mit dem tod konfrontiert und hat noch weniger antworten als sonst.
Anna Licht - 16. Feb, 11:52

Seine Familie tut mir so leid. Wie muss das sein, das eigene Kind, den Bruder durch Suizid zu verlieren? Wie Du schon schriebst - bei einem Unfall hat man eine Erklärung, vielleicht einen Schuldigen, etwas oder jemandem, auf den sich die Wut und das Entsetzen richten können.
Nimmt sich ein so nahestehender Mensch das Leben - kann man da ohne Schuldgefühl weiterleben? Kann man da jemals akzeptieren, dass man nichts bemerkt hat? Sich selbst freisprechen?
Samuel B. - 25. Feb, 19:47

ja, irgendwann akzeptiert man es. einerseits, weil man muss, andererseits, weil es eine freie willensentscheidung war.
trost ist das auch keiner, für niemanden. die fragen bleiben.
Herr Wolf - 15. Feb, 15:07

Uns trifft der Tod

eines Menschen, den man nur peripher kannte, manchmal schwerer als der eines nahen oder vollkommen fernen Menschen, denn bei ersteren hätte man die Zeichen - so glaubt man - sicherlich gesehen, hätte man sicherlich etwas - so glaubt man - unternehmen können, ihn aufhalten können. Die vollkommen fernen Menschen, die sterben einfach und ohne Bezug zum Selbst.

Doch die halbfernen, halbbekannten Menschen, mit denen man nur eine diesige Vergangenheit gemein hat, die holen uns immer wieder ein, die kommen uns manchmal überraschend und ungewollt nah.

Frau Licht, es ist nicht lächerlich, daß der Tod eines Menschen Sie trifft. Es ist wohl eher menschlich.
Fühlen Sie sich umarmt von mir.

Anna Licht - 16. Feb, 12:03

Ich danke Dir.

Ja, die diesige Vergangenheit, die man mit vielen Menschen teilt. Auch sie macht uns zu uns selbst, definiert uns, ohne das wir es so recht merken.
Man glaubt, diese Menschen einschätzen zu können, macht sich ein Bild, um später dann festzustellen, dass man mindestens ein so oberflächlicher Idiot ist, wie man es so gerne einigen dieser peripheren Bekanntschaften aus der Vergangheit unterstellt.

Neulich sagte man mir: Du kannst überall auf der Welt Anna sein. Nur nicht hier, zu hause.

Das klingt nun die ganze Zeit mit, warum genau, erforsche ich noch.

Und Du so?

Du bist nicht angemeldet.

Sieh mal zu!

warm und licht und plüschig

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Nix geht verloren, der Treibsand wird archiviert: Deutsches Literaturarchiv Marbach. Danke.

Anna

- heißt eigentlich anders und schreibt seit 2002 hin und wieder was ins Internet, seit 2007 tut sie es hier. Ab und an denkt sie wegen Untätigkeit laut oder leise übers Löschen nach, durchringen kann sie sich nicht. Im Treibsand versinken Gefühle, Eindrücke und Textfetzen, die irgendwohin müssen, aber nirgends so richtig passen wollen.

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

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