Mein Radio brennt

Und Euch, liebe Radiosender, -moderatoren und -macher, möchte ich mal was mit auf den Weg geben:

Menschen, die um 6:15 Uhr morgens einen Radiosender bar jeglicher Informationsanliegen einschalten, wollen geweckt, nicht in den Schlaf gelullt werden. Um diese Zeit ein Lied zu spielen, in dessen Refrain gefühlte skatrillionen Mal die Zeile "it's too late to apologize" vorkommt, lässt zwar den Schluss zu, dass Ihr zumindest ahnt, wie kacke Euer Programm wirklich ist, ändert aber nichts an der physiologischen Unmöglichkeit, durch den zugehörigen Rhythmus in die Gänge zu kommen, Platz 2 der Charts hin oder her. Und was von diesen generell zu halten ist, zeigt sich mit einem Blick auf Platz 1, auf den zum wiederholten Male die Klingeltonindustrie mit Hilfe des geistig komplett retardierten Durchschnittskäufer ihren akustischen Müll abgeladen hat. Das Ding dann auch tatsächlich öffentlich und gebührenfinanziert abzuspielen, macht Eure Fick-Dich-Hörer-Haltung mehr als deutlich, und keine geheuchelte Entschuldigung der Welt wird mich dazu bringen, das Gegenteil anzunehmen. Lieber stürze ich mich in ein freiwilliges Koma, als meine geistige Anwesenheit nochmal dem Radiowecker anzuvertrauen.

"Schon GEZahlt?", fragen mich die Überreste eines Plakats auf dem Weg zur Arbeit. Langsam greife ich in meine Tasche und ziehe den neuerworbenen Flammenwerfer hervor.
Herr Wolf - 19. Feb, 13:04

Jeden Morgen

begehe ich den gleichen Fehler: In der Hoffnung, daß mich Stimmen aus dem Schlaf reißen, anschalte ich das Radio, nur um in einem wirren Sumpf aus Wort- und Traumfetzen zu versinken. Wenn ich mich dann aus Schlaf und Bett schäle kleben an meinem Geist noch die Schlingpflanzen dieser Unterwasserfahrt.

Irritierenderweise kenne ich viele Menschen, die nicht wenig Radio hören. Aber nur einen Menschen, der das gerne tut. Und der hat den Anspruch eines Zehnjährigen an seine Unterhaltung.

Anna Licht - 20. Feb, 21:46

Der Mensch

ist doch erstaunlich schmerzbefreit, wenn es um Akustik geht. Ich fahre auch immer wieder ohne CD's Auto und wundere mich dann über das schleichende Gefühl aggressiver Verblödung.

Wenn man Glück hat, wird irgendwo was Schmissiges an Klassik gespielt oder auf DR geht's ausnahmsweise mal nicht um Darmerkrankungen. Dann kann das auch mal gehen. Allerdings muss man natürlich auch dauerhaft die Frequenz empfangen.
Herr Wolf - 21. Feb, 14:00

Als ich nach unserem

letzten Telefonat mich aufgemacht habe, die lange Strecke ins andere Land zu fahren, habe ich durch Zufall eine alte abgenudelte Kasette mit Stücken von Steve Reich gefunden. Dessen minimalistische Musik besteht aus einer kurzen Grundmelodie, die leicht fragmentiert einmal bis mehrmal über sich selbst geschoben wird und dadurch fast hypnotische Interferenz erzeugt. So entspannt bin ich selten angekommen.

DR höre ich nie. Nur einmal kurz auf der Rückfahrt. Nach einem schönen Musikstück sprachen sie über die neuen Pflegestützpunkte. Als ich eineinhalb Stunden später wieder zurückschaltete zu DR, hatte sich das Thema nicht geändert. Unentspannt angekommen.
Anna Licht - 26. Feb, 09:24

Man könnte

natürlich auch Staubsauger- oder Spülmaschinenklänge aufzeichnen. Je nach Hersteller und Alter des Geräts kann so eine beruhigende Geräuschkulisse gebildet werden. Allemal entspannender als Handyklingeltöne oder Darmkrebs jedenfalls.
Samuel B. - 25. Feb, 19:50

gott sei dank bin ich morgens noch nicht so wach, wenn das radio angeht. ich brauch nur den 'lärm', um nicht wieder einzuschlafen.
von der qualität von 80 prozent aller sender kann man nur schweigen, die nachrichten sind meist veraltet und haben einen informationsgehalt wie ein griesbrei.
andererseits, es gibt immer noch eine reihe von sender und sendungen, die einfach nur gut sind. im hr ist es "der tag" und auch auf dr oder dfk laufen tolle sachen. dooferweise muss man das wissen und zur richtigen zeit den richtigen sender einstellen - im auto leider kaum ne chance.

Anna Licht - 26. Feb, 09:39

Ja, manchmal

erwischt man wahrliche Prunkstücke unter den Radiosendungen, das ist richtig. Neulich hatte ich auf DR das Vergnügen einem Mathematiker zu lauschen, der von seiner Liebe zur Mathematik, ihrer Faszination und ihrem Auftreten im Alltag erzählte. Das gefiel mir. Und dann kam zwischendrin auch noch das wunderbar geschnarrte "Es wird alles wieder gut, Herr Professor" - was will man mehr.
pathologe - 26. Feb, 09:43

Radio

ist so eine Sache. Entweder es ist ein werbungsfinanzierter Sender, der dann manchmal stark gekuerzte Lieder zwischen den Commercials bringt, oder die aktuelle Verkaufshitparade wird wiederholt durchgenudelt. Halt, das macht der Dauerwerbesender ebenfalls. Nur eben kuerzer.

Fuers Autofahren brauche ich was Entspannendes. Da gibt es ja aus der verrufenen New-Age-Ecke genug. Beispielsweise kann man sich mal die CDs der Gruppe "Klangwelt" reintun.

Anna Licht - 27. Feb, 10:46

Meine letzte

längere Autofahrt wollte ich, die ich hin und wieder ein leicht aufbrausendes Temperament habe *hüstel*, mit entspannender Musik unterlegen, um mich emotional vor den ganzen Irren und Bekloppten auf unseren Freunden, den Autobahnen, zu schützen. So verzichtete ich also klug und vorausschauend, wie man ja auch fahren soll, auf Radioprogramme und wählte stattdessen Fahrstuhlmusik à la Jack Johnson zur musikalischen Begleitung, in der Hoffnung, dass mich sein Saitengezupfe milde stimmen würde.

Allerdings kam dann Stuttgart, welches ich in nur 45 Minuten wieder hinter mir gelassen hatte, Feierabendverkehr ist was tolles, besonders an Freitagen, und ich musstein dieser Zeit doch leider auf System of a Down umsteigen. Mein Aggressionslevel lag tatsächlich an einem Punkt, wo beruhigende Musik Gewaltphantasien provoziert, während ordentliches Gebretter eher zur störungsfreien Atmung beiträgt. Faszinierend.
Anna Licht - 27. Feb, 11:24

Und überhaupt

muss ich gerade mal anmerken, dass mir das Radio (welches mich immer noch weckt, weil der blöde Alarmton kaputt ist) gestern den Tag mit der Nachricht von Brandstiftung in der Frau-Lichts- Heimatkaffer Grundschule eröffnete.

Also doch nicht so schlecht, so ein Radio. Da erfährt man via Frankfurt am Main, dass drei Straßen weiter der Verwaltungstrakt ausgebrannt ist.

In freier Wildbahn wäre ich nicht überlebensfähig - selbst das ungeschickteste Raubtier mit Keuchhusten und Klumpfuß hätte mich in aller Seelenruhe verspeisen können, sofern seine Frühstückszeit vor 6:00 Uhr morgens liegt.

Und Du so?

Du bist nicht angemeldet.

Sieh mal zu!

warm und licht und plüschig

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Nix geht verloren, der Treibsand wird archiviert: Deutsches Literaturarchiv Marbach. Danke.

Anna

- heißt eigentlich anders und schreibt seit 2002 hin und wieder was ins Internet, seit 2007 tut sie es hier. Ab und an denkt sie wegen Untätigkeit laut oder leise übers Löschen nach, durchringen kann sie sich nicht. Im Treibsand versinken Gefühle, Eindrücke und Textfetzen, die irgendwohin müssen, aber nirgends so richtig passen wollen.

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